Interview mit Pam Haigh, UK General Manager von Ripple Africa
Seit sieben Jahren arbeitet Pam Haigh für Ripple Africa als eins von fünf Mitgliedern des kleinen Teams in Großbritannien – drei bezahlte Mitarbeiter und die beiden ehrenamtlich engagierten Gründer. Der Rest der „Familie“, wie Pam sie nennt, ist das 142-köpfige Team in Malawi. Die Geschichte von Ripple Africa reicht knapp 20 Jahre zurück, als die Gründer, Geoff und Liz Furber, in Afrika unterwegs waren und eine falsche Abzweigung zur Gründung der Organisation führte:
Die Aufzeichnung des Interviews war eigentlich nicht zur Veröffentlichung gedacht. Aber es ist so viel schöner, Pam die Geschichten erzählen zu hören, als nur die gekürzte Version zu lesen. Deshalb empfehle ich dringend, das Audio auf unserer Projektseite anzuhören (wenn ihr meine Ähms ertragen könnt).
Panterito (Kristina Huch): Was war die Motivation bei der Gründung von Ripple Africa und was ist das Ziel der Organsation?
Pam Haigh: Das ist ziemlich interessant, weil Geoff ein Geschäftsmann ist. Er hat sich nie mit Hilfsorganisationen beschäftigt, bis zu dem Moment, als er Ripple Africa gegründet hat. Er und seine Frau reisten durch Afrika und versuchten in Malawi, den Weg zu einer Unterkunft zu finden – und sie verirrten sich. Jemand sagte, “Es wird dunkel. Da unten an der Straße ist was, warum geht ihr nicht dahin?”. Sie kamen im Dunkeln an, es war buchstäblich am Ufer des Malawi-Sees, und als sie am nächsten Morgen aufwachten, waren sie von der Schönheit des Orts völlig überwältigt. Sie erfuhren, dass die Lodge zum Verkauf stand. Also entschieden sie ganz spontan, sie zu kaufen. Aber der Besitzer hatte eine bestehende Vereinbarung mit den Schulen vor Ort, dass Lehrer, die ehrenamtlich dort arbeiten, sie nutzen können. Sie waren sich einig, das beizubehalten und gründeten eine gemeinnützige Organisation, um es auch richtig machen zu können.
Am Anfang unterstützten wir also wirklich einfach ein paar lokale Grundschulen. Und dann – wie bei den meisten Projekten, die wir machen – fängt man an, mit den Leuten vor Ort zu sprechen, und man stellt fest, dass es gar keine weiterführende Schule in fußläufiger Entfernung gibt. Also haben wir eine weiterführende Schule gebaut, die wir dann dem Staat übergeben haben. Und dann haben wir gemerkt, es gibt keine staatlichen Vorschulen. Also betreiben wir jetzt acht Vorschulen.
Danach haben wir einige Krankenhäuser unterstützt. Als wir mit den Leuten geredet haben, haben wir erkannt, dass viele der Probleme, die die Menschen haben, sich aus Umweltproblemen begründen. Und so sind wir im Laufe der Jahre immer mehr zu einer Umweltschutzorganisation geworden. Diese Arbeit machen wir hauptsächlich und in großem Maßstab. Aber wir unterstützen immer noch die lokale Community in der Nähe unserer Basis im Nkhata Bay District. Es ist also eine Mischung aus diversen Arten von Projekten. Und das macht die Arbeit so interessant und bringt so viel Spaß rein.
Ein starker Fokus liegt also auf der Community-Arbeit. Du hast bereits einige Vorteile erwähnt, zum Beispiel so viele Facetten an Projekten zu haben. Was sind weitere Vorteile von diesem Ansatz und was sind vielleicht Probleme?
Jedes Mal, wenn wir hingehen, werden wir normalerweise von Leuten angesprochen, die sagen, “Wir brauchen Hilfe bei diesem, wir brauchen Hilfe bei jenem”, und es ist sehr leicht, sich in zu viele verschiedene Bereiche hineinziehen zu lassen. Wir müssen sehr fokussiert bleiben und das würde unseren Fokus zu weit weglenken von den Kernaktivitäten.
Aber durch die Art und Weise, wie wir gewachsen sind, haben wir einen engen Kontakt zu allen Ebenen der Community aufgebaut. Wir arbeiten mit allen, von der Bezirksverwaltung bis hin zu den einzelnen Dorfbewohnern. Indem wir sie alle einbeziehen, erhalten wir die Akzeptanz genau der Menschen, die uns wirklich helfen können, unsere Projekte zu verwirklichen. Und ich denke, das macht unsere Arbeit stärker, weil wir so in der Lage sind, die wirklichen Probleme zu identifizieren.
Unsere Stärke ist, dass wir kosteneffiziente und einfache Lösungen finden, die auf dem basieren, was die Menschen tatsächlich selbst umsetzen können. Zum Beispiel unser Cookstove-Projekt: Wir kennen viele Organisationen in Malawi, die einem Haushalt einen Metallkochherd geben und sagen: „Hier ist dein Kochherd, damit sparst du Holz“. Und dann gehen sie wieder weg, weil die meisten Finanzierungen von Organisationen nur ein oder zwei Jahre gehen. Oft geht der Herd dann kaputt oder es wird vergessen, wie man ihn benutzt, und dann legt man ihn auf die Seite und kehrt zurück zur traditionellen Art des Kochens auf einem großen Drei-Steine-Feuer, für das riesige Holzstücke benötigt werden.
Wir dagegen setzen uns hin und sagen: Okay, was wollt ihr kochen und wie wollt ihr es kochen und was ist euch wichtig? Und lasst ihn uns zusammen designen aus lokal verfügbarem Material. Lasst uns euch helfen, ihn zu bauen, anstatt dass wir euch was Fertiges geben. Er soll hinterher eurer sein und ihr sollt die Verantwortung dafür übernehmen können.
Ist das, was ihr unter ´charity run like a business´ versteht?
Ja, ganz genau. Ich bin der Meinung, viele Hilfsorganisationen starten mit den besten Absichten, aber arbeiten nicht unternehmensähnlich. Eine Menge Hilfsgelder wird dadurch verschwendet, denke ich. Wenn man ein Produkt hat und es an einen Kunden verkauft, muss man dieses Produkt liefern und der Kunde muss damit zufrieden sein. Dann sind alle glücklich. Aber viele Hilfsorganisationen beziehen die Menschen nicht in die Entscheidungsfindung ein. Damit ist es kein Produkt, das sie wollen oder verstehen. Ich denke, das ist der große Unterschied zwischen uns und vielen anderen Organisationen. Und es bedeutet, dass wir viel bewegen können mit vergleichsweise wenig Geld.
Bekommt ihr nicht Probleme, weil der Aufwand, die Communities über längere Zeit zu unterstützen, laufende Kosten für das Personal bedeutet?
Ja, absolut. Und das ist ein Problem mit unserer Finanzierung. Denn wie schon gesagt, viele Projektgelder sind nur für ein oder zwei Jahre vorgesehen. Wir hatten fantastische Unterstützung von einigen sehr großen Trusts und Stiftungen, aber sie haben die Erwartung, dass das Problem nach einem Jahr gelöst ist. Und das ist ganz offensichtlich nicht der Fall.
Außerdem denke ich, es gab ein Problem mit vielen Organisationen, die Leute quasi bestochen haben, mitzumachen. Zum Beispiel sind wir mit dem Cookstove-Projekt in ein Gebiet in den Bergen gegangen und haben erklärt, das ist der Kochherd, das wollen wir machen, und sprachen mit den Leuten darüber. Und sie fragten, “Wo sind unsere kostenlosen Töpfe und Pfannen?“ – wir sagten: „Was meint ihr damit?“ und sie antworteten, “Neulich kam jemand und wollte uns kostenlose Töpfe und Pfannen zu deren Kochherd geben”, wo also unsere seien. Und wir sagten: “Das machen wir nicht. Was ihr davon habt, ist, dass ihr Bäume auf den Bergen um euch herum haben werdet, anstatt sie alle für das Holz zu fällen. Und ihr werdet Zeit sparen, weil ihr das ganze Holz nicht sammeln müsst.” Das ist meiner Meinung nach eins der großen Probleme – es gibt die Erwartung, Dinge umsonst zu bekommen, ohne dass selbst etwas investieren werden muss. Und wir versuchen, diese Denkweise zu ändern.
Noch eine Frage in diese Richtung: Wir wollen in unseren nächsten Bericht einen failure report aufnehmen. Also darüber nachdenken, was nicht funktioniert hat, die Probleme zu identifizieren und dann versuchen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Kannst du Probleme von Ripple Africa benennen und vielleicht nicht nur für die Phase, in der ihr jetzt seid, sondern auch für frühere Phasen?
Eins der Dinge, in denen wir als Organisation sehr stark sind, ist es einzugestehen, wenn was schiefläuft. Was wir bei den Menschen, mit denen wir in Malawi zusammenarbeiten, festgestellt haben, ist, dass sie lieber ja sagen und dich zufrieden stellen wollen, und nichts sagen möchten, von dem sie denken, dass es dich ärgert. Am Anfang sind wir also hingegangen und haben gefragt, wie es läuft, und sie sagten: „Oh, alles gut“. Das sahen wir aber nicht in den Ergebnissen. Und wir mussten tatsächlich fast etwas an der Kultur ändern, um die Leute zu ermutigten, zuzugeben, wenn sie einen Fehler gemacht haben, und dann daraus zu lernen und es anders zu machen.
Ein Beispiel: Als wir unser Changu-Changu-Moto-Cookstove-Projekt gestartet haben, wollten wir Leute in den Dörfern als Koordinatoren, die helfen konnten, die Herde einzuführen und zu zeigen, wie man sie benutzt. Also wandten wir uns an den örtlichen Chief und sagten, kannst du jemand aus deinem Dorf vorschlagen. Und weil es nicht viele Arbeitsplätze gibt, wurden hauptsächlich junge Männer vorgeschlagen. Das Problem dabei ist, dass ein junger Mann nicht kocht, also nicht versteht, wie Frauen kochen. Er hat nur aus der Ferne zugeschaut und dann das Essen gegessen. Wir haben also nicht den Beziehungsaufbau erreicht, den wir brauchten. Also sind wir komplett anders vorgegangen: Als wir in die nächsten Dörfer gegangen sind, haben wir gesagt: „Könnt ihr uns einer Frau vorstellen, vor der jeder Respekt hat?“. Und dann sind wir zu ihr gegangen und haben mit ihr gearbeitet, und sie wurde dann quasi Meisterin der neuen Art zu kochen. Aber so etwas lernt man nur, wenn man es erstmal falsch macht.
Ein anderes großes Problem für uns alle im Moment: Wie verändert Covid eure Arbeit?
Das ist spannend, denn wir dachten, dass es einen viel verheerenderen Effekt haben würde, als es tatsächlich der Fall ist. Glücklicherweise gab es in Malawi viel weniger Fälle, und ich denke, das liegt vor allem daran, dass die Bevölkerung dort viel jünger ist – über 50 % der Einwohner ist unter 18 Jahre alt. Und sie waren auch sehr gut darin, alle Grenzen sehr schnell zu schließen. Aber gerade gehen die Fallzahlen hoch wegen der südafrikanischen Variante. Viele Malawier reisen nach Südafrika, um Geld für ihre Familien zu verdienen. Und sie kommen zurück ins Land und bringen die Krankheit mit.
Aber Malawi hat keine Art von sozialem Sicherungssystem. Wenn die Leute also nicht arbeiten, verhungern sie. Und so haben die meisten Geschäfte weitergemacht. Und wir haben mit unseren Naturschutz-Volunteers einiges gemacht, um aufzuklären, wie wichtig Händewaschen ist und social distancing, wie man die Symptome erkennt und was dann zu tun ist. Tragen von Masken in der Öffentlichkeit ist Pflicht, aber solange man nicht entdeckt wird, kommt man natürlich damit durch. Daher bitten wir alle unsere Mitarbeiter und Volunteers, mit gutem Beispiel voranzugehen und ihre Masken zu tragen.
Interessant ist, dass wir, als wir anfingen, mit dem Bezirksrat über Covid zu sprechen, erfahren haben, wie viele kaputte Bohrlöcher es gibt – das war uns nicht bewusst. Ich glaube, allein in unserem Bezirk gab es etwa 800 kaputte Bohrlöcher. Das bedeutet, dass die Bohrlöcher, die in Betrieb waren, viel stärker ausgelastet waren. Jedes Bohrloch wird im Durchschnitt von 150 Personen genutzt. Wenn man also davon ausgeht, dass die drei um einen herum alle kaputt sind, dann nutzen all diese Menschen das ein und dasselbe, was das Problem der Verbreitung von Infektionen noch verschärft.
Deshalb sind wir jetzt dazu übergegangen, Bohrlöcher zu reparieren. Das ist ein Projekt, an dem wir vor Covid nie beteiligt gewesen wären. Wobei alles, was wir tun, ist, die Finanzierung für Ersatzteile und Transport bereitzustellen. Denn der Bezirk hat ein Team von Wartungsleuten, deren Aufgabe es genau ist, Bohrlöcher zu reparieren, aber sie haben nicht das Geld, um die Ersatzteile zu kaufen.
Und jetzt haben wir festgestellt, dass keins unserer örtlichen Krankenhäuser über Sauerstoffanlagen verfügt. Also haben wir Gelder zusammengebracht, um unser Krankenhaus und die Kliniken in der Gegend mit Sauerstoffkonzentrationsgeräten auszustatten, die ihnen hoffentlich nicht nur bei Covid helfen werden, sondern auch in den kommenden Jahren. Es war also eine Chance genauso wie eine Tragödie für uns.