Offsetting und Carbon Credits

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2020 liegt jetzt also hinter uns. Zeit, Bilanz zu ziehen. Nein, ich meine nicht Corona, sondern meinen CO2-Fußabdruck. Irgendwann hatte ich angefangen, meine Flugreisen zu kompensieren, inzwischen kaufe ich meinen dreiköpfigen Haushalt frei. Dafür kann man einfach auf eine der Seiten gehen, die Google einem vorschlägt. Oder man macht sich drei Gedanken mehr und guckt sich an, was es alles gibt.

Wir werfen hier einen Blick auf die Fragen

  • Wie kann ich meine Emissionen berechnen?
  • Was kaufe ich da eigentlich, wenn ich kompensiere?
  • Auf welche Arten kann kompensiert werden und welche Projekte sind besonders sinnvoll?
  • Impact investment als Alternative

 


Wie kann ich meine Emissionen berechnen?

Nach den aktuellsten Zahlen des Umweltbundesamts (UBA) liegt der deutsche Durchschnitt bei 11,17 t CO2e – das wird für 2020 dank weggefallener Urlaubsflüge und deutlich eingeschränkter Mobilität sicher ein Stück nach unten gehen. Schon, um mehr über den eigenen Fußabdruck zu erfahren, lohnt es sich aber, eine genauere Berechnung anzustellen. Empfehlung ist der UBA-Rechner, der einerseits sehr detailliert ist und trotzdem in maximal 10 Minuten ausgefüllt, wahlweise mit exakten Daten oder Durchschnitten. Das, was rauskommt, ist eine Orientierung (jeder Rechner wird eine andere Gesamtsumme ausspucken, das ist stark abhängig von der Methodik), aber eine solide Orientierung.

Ergebnisseite CO2 Rechner Umweltbundesamt


Was kaufe ich da eigentlich?

Offsetting oder Kompensation heißt erstmal einfach, ich bezahle Geld dafür, dass jemand anderes die Emissionen einspart oder bindet, die ich verursacht habe. Dafür wie das umgesetzt und garantiert wird, gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Die gängigste im Privatbereich sind Verified Emission Reductions (VERs): Emissionsreduktionen, die von einer unabhängigen Stelle nach einem bestimmten Standard überprüft wurden. Die sehr ausführliche Broschüre des UBA zu freiwilligen Emissionen fasst alle wichtigen Fragen und Antworten zusammen.

Daneben gibt es den sogenannten Verpflichtungsmarkt, hier sind nur Emissionsreduktionen zugelassen, die nach dem Clean Development Mechanism (CDM) und der Joint Implementation (JI) nach dem Kyoto-Protokoll zertifiziert sind. Auch Privatpersonen können direkt über die UN ohne Vermittlungskosten an die Projekte spenden. Trotz scheinbar höherwertigerer Zertifizierung ist ihre Güte nicht unumstritten. Neben den gehandelten Emissionsreduktionen gibt es im Verpflichtungsmarkt zusätzlich Emissionsrechte. Der EU Emissionsrechtehandel (EU ETS) ist der erste grenzüberschreitende und weltweit größte. Wie der Name schon sagt, geht es hier nicht um Einsparungen, sondern um Emissionsrechte für die größten Emittenten, deren Volumen limitiert ist und kontinuierlich verknappt wird. Wird nun ein Zertifikat gekauft und gelöscht, ohne dass die Emissionen ausgestoßen werden, muss defacto eine Tonne weniger emittiert werden. Auf dieses Prinzip setzt das Startup ForTomorrow auf.

Und zusätzlich gibt es natürlich auch Angebote, die gar nicht offiziell zertifiziert oder verifiziert sind. Sie sind nicht prinzipiell weniger vertrauenswürdig, denn wie bei allen Siegeln gilt: Es ist für die Projekte meist (insbesondere initial) mit hohen Kosten verbunden. Ich kenne mehrere Initiativen, die ihre Reduktionsberechnungen lediglich von kompetenter Seite absegnen lassen und direkt anbieten.

 


Wie kann kompensiert werden und welche Projekte sind besonders sinnvoll?

ClimatePartner untergliedert die Möglichkeiten anschaulich in drei Bereiche:

⚡ Green Energy
jede Form von Ablösung fossiler bzw. Atomenergie durch nachhaltige Energiequellen

🌳 Nature Based Solutions
Waldschutz, Aufforstung, Blue Carbon, Landwirtschaft

🔥 Social Impact
Fuel-efficient Cookstoves, Sauberes Trinkwasser, Kleinbiogasanlagen

Die jeweiligen Ansätze sind sehr umstritten. Der sicherlich bekannteste Anbieter, atmosfair, bietet beispielsweise keine Pflanzprojekte an. In meinen Augen gibt es drei besonders sinnvolle Projektbereiche: Waldschutz, saubere Kochöfen und sauberes Trinkwasser.

 


Waldschutz

Wir sind davon überzeugt, dass Projekte insbesondere dann funktionieren, wenn sie selbst wirtschaftlich sind. Das kann für die meisten genannten Möglichkeiten zur Emissionsreduktion gegeben sein – für den Waldschutz aktuell nicht (genau hier setzt ja auch REDD+ an). Er ist abhängig von externer finanzieller Förderung. Gleichzeitig erfüllen die bestehenden Urwälder neben ihrem Wert als CO2-Speicher ein Vielfaches an Umweltleistungen und ihre Vernichtung ist ab einem gewissen Zerstörungsgrad unwiederbringlich. Damit sind Waldschutzprojekte in meinen Augen besonders sinnvoll.

Waldschutzprojekte als direktes Kompensationsangebot zu finden, ist allerdings gar nicht so einfach. Ich kenne es für Unternehmen (z.B. via ClimatePartner) und ansonsten nur indirekt: als Spende für Regenwaldschutzprojekte ohne Angabe eines verbundenen Offsettings (z.B. NABU, Retttet den Regenwald oder Oro Verde) oder aber in Form von Pflanzprojekten, die so entworfen sind, dass sie den Druck auf die Wälder vermindern (z.B. fairventures).

Fog over landscape in panamaLandschaft in Panama


Fuel-efficient cookstoves

Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung kocht zuhause mit festen Brennstoffen wie Holz, Holzkohle oder landwirtschaftlichen Abfällen. Das führt einerseits in vielen Regionen zu zunehmender Entwaldung, andererseits schätzt die WHO, dass jährlich knapp 4 Millionen Menschen durch die Folgen der Raucheinwirkung sterben. Auf die weltweit häufigste Infektionskrankheit Malaria gingen in der Spitze nach Computermodellen 1,8 Mio. Sterbefälle in 2004 zurück.

Changu Changu Moto Herd von Ripple Africa im Einsatz

Das langfristige Ziel muss natürlich sein, dass Brennstoffe verwendet werden, die sauber verbrennen und ressourcenschonend sind, wie Biogas oder Solarenergie. Ein Zwischenschritt sind Kochherde, die weniger Energie benötigen und rauchärmer sind. Hier hat die Zertifizierung doppelt Sinn, ich höre nämlich immer wieder von Projekten, die scheitern, sobald der Support wegfällt. Die jährlichen Stichproben bedeuten, dass die Projekte kontinuierlich begleitet werden. Ripple Africa, die im Norden Malawis arbeiten, benötigen für ihre Lehmkocher quasi kein Geld – es fließt alles in die Community Manager und so kann eine extrem hohe Stabilität erreicht werden (auch von der UN-zertifiziert).

 


Impact Investment als Alternative

Eine Alternative zum Freikaufen ist die Investition von Unternehmen, die Reduktionsprojekte wirtschaftlich umsetzen. Der Vorteil hier ist zum einen, dass durch das wirtschaftliche Agieren genau das Problem des Scheiterns der Projekte nach Versiegen der finanziellen Unterstützung eleminiert ist. Und andererseits natürlich, dass das Geld nicht einmalig gespendet wurde, sondern – hoffentlich – rentabel angelegt. Zwei Beispiele:

  • Africa GreenTec baut und betreibt Off-Grid Solarsysteme im östlichen Subsahara-Afrika. Sie lösen damit Dieselgeneratoren ab und ermöglichen das Entstehen und Vergrößern von KMUs. Für Skalierung und weitere Innovationen ihrer Lösung vergibt das Unternehmen Anteile im Crowdfunding-Modell. 250 € Investment spart nach eigenen Angaben pro Jahr ca. 70 kg CO2e ein mit einer Garantie von 20 Jahren Laufzeit. Eine Kompensation von 10 t CO2e bedingt also eine Investition von 1.800 € – allerdings mit CO2-Kredit auf 20 Jahre.
  • enyway arbeitet ähnlich wie fairventures mit schnellwachsenden Plantagen in Indonesien, bietet aber eine Beteiligung von 4,25%. 140 € Investition kompensieren 5 Jahre lang je eine Tonne. Entsprechend kompensiert man für 1.400 € fünf Jahre lang 10 t CO2e.

Bei betterplace und bettervest finden sich viele weitere Möglichkeiten, kleine und große Projekte direkt zu unterstützen. Allerdings muss man hier genau hingucken: Bei bettervest findet sich z.B. die Firma burn, die energieeffiziente Kochherde in Kenia produziert und auch im ClimatePartner-Portfolio vertreten ist. D.h. über ein Darlehen an burn ist es möglich, am Verkauf der VERs mitzuverdienen – aber es fehlt dann natürlich die Neutralstellung, die ja weiterverkauft wurde.

 


PS: Wissen und Netzwerkkontakte geben wir bei Bedarf gerne weiter. Im Programm One Crew | One Tree managen wir beispielsweise die Auswahl der Pflanzprojekte für unsere Projektpartner.

Autor: Kristina Huch